von Katrin Walter
Menschenmassen, weiße Studentenmützen, Luftballons und knallende Sektkorken, soweit das Auge reicht. Wäre alles wie immer, würde heute und morgen in den finnischen und schwedischen Universitätsstädten ausgelassen gefeiert. Vor allem in Finnland haben die Feierlichkeiten rund um den 1. Mai eine besondere Bedeutung und werden von den Studierenden der rund 40 Universitäten und Hochschulen des Landes intensiv begangen.
Gefeiert werden die Walpurgisnacht und der 1. Mai in Finnland zwar schon seit dem Mittelalter, jedoch hat sich die Bedeutung über die Jahrhunderte verschoben – vom Arbeiterfest hin zum höchsten Feiertag der Studierenden. 1865 brachten finnische Studierende den Brauch von der schwedischen Universität Lund mit nach Finnland und seitdem verwandeln sich die finnischen Städte am 30. April und 01. Mai in Partyhochburgen. Egal, ob Sonnenschein, Regen oder Schnee – alle, die je Abitur gemacht haben, tragen an diesen beiden Tagen stolz ihre weißen (oder nicht mehr ganz so weißen) Studentenmützen (fin. Ylioppilaslakki) zur Schau, denn sie sind das wichtigste Accessoire der Feierlichkeiten. Die Mütze aus weißem Samt, mit schwarzem Schirm und goldener Lyra orientiert sich am Vorbild der Studentenmützen aus Uppsala. Je mitgenommener sie aussieht, desto besser – denn Flecken und Vergilbungen sind sozusagen eine Auszeichnung und beweisen, dass das Leben nicht nur aus Studieren und Arbeiten besteht. Gewaschen werden dürfen die Mützen auf gar keinen Fall – unter keinen Umständen! Vervollständigt wird das Outfit der Studierenden durch einen bunten Overall (fin. Haalari), dessen Farbe Auskunft über die Studienrichtung und Fakultätszugehörigkeit gibt.
Ihren Namen hat die Studentenmütze erhalten, da bis 1918 jeder Abiturient in Finnland automatisch einen Studienplatz an der Alexander Universität in Helsinki erhalten hat. Das Tragen der Studentenmütze hat sich bis heute gehalten und macht deutlich, dass Bildung in Finnland schon seit sehr langer Zeit das höchste Gut ist.
Eine Putzaktion der finnischen Art an Vappu
In Helsinki hat sich eine ganz besondere Tradition eingebürgert, die die Feierlichkeiten sozusagen einläutet: Die Waschung der Meerjungfrauen-Statue Havis Amanda am Hafen. Bis 1951 musste dieses Ritual noch in einer Nacht und Nebel-Aktion von ein paar Mutigen durchgeführt werden, denn es war verboten. Heute ist die Zeremonie nicht mehr wegzudenken und ist mit Sicherheit das Highlight der Feierlichkeiten. Ausgewählte Studierende werden in einem runden Gestell mit bequemen Sitzen an einem Kran über die ausgelassene Menschenmenge gehoben. Unter dem Jubel der Zuschauer:innen verpassen sie der Statue ein gehöriges Schaumbad und setzen ihr Punkt 18 Uhr eine übergroße Studentenmütze auf. Tausende Schaulustige wohnen diesem Spektakel bei und lassen pünktlich zum Höhepunkt des Countdowns die Korken knallen, um den Frühling gebührend zu begrüßen. Auch in anderen Städten wie Tampere, Kuopio oder oder Vaasa gibt es die Statuen-Tradition.
In Turku hingegen versammeln sich alle Finnen auf der Straße vor dem Kunstmuseum, während sich die Finnlandschweden auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt, auf dem Hügel des Observatoriums, treffen. Vertreter:innen der Studierendenvereinigungen halten Reden und schwingen Fahnen. Pünktlich um 18 Uhr erhebt sich unter Jubel ein Meer aus Abiturmützen in die Luft, es wird angestoßen und gesungen. Wer es ruhiger mag, verbringt den Abend dann nicht auf einer Party, sondern am Lagerfeuer – gut gegessen und getrunken wird auch da.
Warten auf dem Museumshügel in Turku
Foto: Katrin WalterDie Mützen werden geschwenkt
Foto: Katrin Walter
Floßrennen und Champagnerduschen – auch in Schweden wird gefeiert
Ähnlich sieht es im schwedischen Uppsala aus – dort befindet sich die älteste und prestigeträchtigste Universität Skandinaviens. Am Morgen des 30. April liefern sich die verschiedenen Studiengänge und Fakultäten ein Floßrennen auf dem Fluss Fyrisån. Mit selbstgebauten Motto-Floßen geht es flussabwärts vorbei an den jubelnden Zuschauer:innen am Ufer.
Foto: Katrin Walter
Anschließend versammeln sich alle Studierenden, ehemaligen Abiturient:innen und Schaulustigen auf der langen Straße an deren Ende die imposante Bibliothek Carolina Rediviva liegt. Schon Tage vor Valborg, wie die Feierlichkeiten in Schweden genannt werden, läuft an der Fassade der Bibliothek ein Countdown ab, um die Spannung zu steigern. Wenn alle Reden gehalten sind und die Menge den deutschen Schlager Ein Student aus Uppsala gemeinsam gesungen hat, gibt es den Champagnegalopp. Ein Spektakel, das von den Studierendennationen (Vereinigungen) ausgetragen wird und bei dem es darum geht, sich und andere mit möglichst viel Sekt zu übergießen. Und dann geht die Party erst richtig los – egal, ob in den städtischen Parks, den hauseigenen Clubs der Nationshäuser oder in den eigenen vier Wänden – die Nacht ist lang und geht oft direkt in die Picknick-Tradition am Morgen des 1. Mai über.
Auch in Finnland trifft man sich nach einer ausgiebigen Partynacht am 1. Mai traditionell zum Picknick mit Freunden und Familie. Um dem Alkohol vom Vortag entgegenzuwirken und eine Grundlage für den bevorstehenden Tag zu schaffen, gibt es häufig Hering in verschiedenen Varianten, z.B. eingelegt oder als Salat. In Helsinki ist der Kaivopuisto ein beliebter Treffpunkt. Dort werden natürlich auch mobile Saunen aufgestellt – man ist ja schließlich in Finnland!
Party am Ufer des Aurajoki in Turku
Foto: Katrin WalterPicknick am 1. Mai
Foto: Katrin Walter
Spezielle Leckereien an Vappu
Wenn gefeiert wird, darf natürlich auch das Essen nicht zu kurz kommen. In Finnland gehören vor allem Tippaleipä (eine Art gespritztes Schmalzgebäck), Munkki (Donut) und Sima (ähnlich wie Met) zu den Mai-Feierlichkeiten. Sima gibt es zwar rund um den 1. Mai im Supermarkt zu kaufen, doch wer in Finnland was auf sich und die Mai-Tradition hält, macht das metähnliche Getränk selbst.
Etwa 3-5 Tage vor Vappu wird das Getränk aus Wasser, Zucker, Hefe und Zitronen angesetzt. Durch die Hefe entsteht ein leichter Gärungsprozess an dessen Ende, bestenfalls am 1. Mai, das leckere Getränk eiskalt genossen werden kann. Im Internet finden sich unzählige Rezepte zu Tippaleipä und Sima – probier‘s doch einfach mal aus und hol dir dein persönliches Vappu-Erlebnis nach Hause und sei heute Abend beim Live-Event mit Nomadic Naali dabei.