Von Katrin Walter
Am 6. Februar begehen die Sámi, das einzige indigene Volk der EU, ihren Nationalfeiertag. Knapp 70.000 Sámi gibt es noch in Norwegen, Schweden, Finnland und Russland, wo sie seit Jahrtausenden ihre Sprache, Tradition und Kultur pflegen. Wichtiger Teil dieser Kultur ist seit jeher das samische
Kunsthandwerk, duodji oder auch slöjd/sløyd genannt. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass bereits vor mehr als 10.000 Jahren Felszeichnungen angefertigt und Motive in Hörner geritzt wurden. Aus dieser langen Tradition haben sich wohlgeformte Gegenstände etabliert, deren Herstellung und Wertschätzung von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Besonders wichtig für das samische Kunsthandwerk sind Naturmaterialien wie Holz, Rinde, Leder, Horn und Felle – alles was durch die Natur und vor allem durch die wichtigsten Begleiter der Sámi, die Rentiere, zur Verfügung steht. Früher wurden hauptsächlich Gegenstände hergestellt, die für
das alltägliche Leben unabdingbar waren und beim Umherziehen mit den Rentierherden nicht zur Last fielen. Heute werden neben wichtigen Alltags- und Gebrauchsgegenständen wie Kleidung, Werkzeugen oder Haushaltsutensilien auch Dekorationsgegenstände und Produkte für Touristen geschaffen.
Handwerkskunst im Einklang mit der Natur
Die Farben Blau, Grün, Gelb und Rot spielen vor allem bei den Handwerksarbeiten mit weichen Materialien wie Stoffen und Ledern eine wichtige Rolle. Sie symbolisieren den Einklang mit der für die indigenen Völker so wichtigen Natur. Rot steht für das Feuer, das Wärme und Licht spendet. Grün drückt die Kraft der Natur und der Pflanzen aus, die in Sápmi (Lappland) wachsen und für die Sámi überlebenswichtig waren.
Gelb repräsentiert die Sonne, die für Langlebigkeit steht und seit jeher ein Kraftsymbol darstellt, ob im Winter, wenn sie sich nicht zeigt oder im Sommer, wenn sie unerbittlich scheint. Blau steht für das Wasser, ohne das kein Leben möglich ist. Diese Farben finden sich nicht nur in der samischen
Flagge, sondern auch in den reich verzierten Trachten, die in jeder Region einen anderen Stil und unterschiedliche Muster aufweisen. Samische Motive und besondere Formen wie feine Linien, Dreiund Vierecke, Blumen und Pflanzen, Ornamente oder Rentierzeichnungen zieren die Stoffe. Im
Winter heben sich die bunten und reich verzierten Stoffe vom tristen Grau und der Dunkelheit ab, im Sommer strahlen sie mit der Sonne um die Wette. Heute werden die Trachten hauptsächlich zu besonderen Anlässen wie Familienfeiern oder dem Nationalfeiertag getragen.
Eine Guksi gefüllt mit Blaubeeren Beliebtes Souvenir auch bei Touristen: Die Guksi
Die Guksi vereint Tradition und Moderne
Eines der wohl bekanntesten Produkte des samischen Kunsthandwerks ist die Guksi (fin. Kuksa /sv. Kåsa), ein traditionelles schöpfkellenähnliches Trinkgefäß, das aus einer Birkenmaserknolle geschnitzt wird. Um Risse und Sprünge zu vermeiden und dem Holz die Spannung zu nehmen, wird die fertige Tasse in Salzwasser gekocht. Damit der erste Kaffee aus diesem schönen Stück einem nicht den Tag versalzt, sollte die Tasse vor dem ersten Gebrauch gründlich mit kochendem Wasser ausgespült und mit Kaffeesatz eingerieben werden. Aber Vorsicht: Die besondere Langlebigkeit beruht auch auf dem Verzicht von Reinigungsmitteln. Wird die Guksi mit großer
Sorgfalt und Können hergestellt und gut gepflegt, ist sie ein Begleiter fürs Leben.
Inzwischen gibt es sie auch aus anderen Materialien wie Plastik oder biologisch abbaubaren Fasern in jedem gut sortierten Outdoor-Geschäft. Die Guksi ist dank ihrer ästhetischen Form und der natürlichen Maserung zu einem echten Trendprodukt und beliebten Fotomotiv unter Naturliebhabern und Outdoor-Fotografen geworden.
Die samische Handwerkskunst ist zwar Jahrtausende alt und doch sprechen die organischen Formen und die angenehme Haptik der Materialien auch heute noch unsere Sinne an und transportieren traditionelles Design in die Moderne.
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