Text: Katrin Walter, Fotos: Visit Oulu; Anna Lanas-Wadessa

Einzigartige Natur, urbane Kultur und Technologie-Standort: Oulu, die größte und älteste Stadt Nordfinnlands vereint all das. Die Stadt am Bottnischen Meerbusen, deren Name im regionalen Dialekt in Anlehnung an das Südsamische „Hochwasser“ bedeutet, beheimatete einst die seltene Meerforelle. Städtebauliche Maßnahmen in den 50er-Jahren zerstörten ihr empfindliches Laichgebiet. Eine Forschungsgruppe hat es sich zum Ziel gesetzt die gefährdete Forellen-Art wieder in ihrer alten Heimat anzusiedeln und der Bevölkerung nicht nur ein Stück Geschichte, sondern auch ein besonderes Naturschauspiel zurückzubringen.

Lebendiges Oulu: Die nordfinnische Stadt hat einiges zu bieten. Foto: Visit Oulu

Oulu liegt knapp 200km südlich des Polarkreises und wird nicht umsonst als das Tor zum Norden bezeichnet. Die von der Eiszeit geprägten Naturgebiete der Region beschreiben eine unsichtbare Grenze, die finnische Kuriositäten wie die weltweit einzige Luftgitarren-Weltmeisterschaft hinter sich lässt und einlädt in die Stille und Fremdartigkeit des hohen Nordens einzutauchen. Die arktische Natur der Region vereint felsige Hochlandgebiete und breite Sandstrände, die im Winter eins mit dem zugefrorenen Meer werden.

Doch nicht nur die Natur der umliegenden Region zieht jährlich Touristen aus dem In- und Ausland an, auch Oulu selbst hat einiges zu bieten. Streift man durch die Straßen der lebendigen Stadt fällt schnell auf, wie eng sie und ihre Bevölkerung mit der Natur und ihren Erlebnismöglichkeiten verbunden sind. Die sanfte Natur des Bottnischen Meerbusens und die Sanddünen-Insel Hailuoto sind nur einen Steinwurf entfernt. Großzügig angelegte Parks und viel Grün prägen das sommerliche Stadtbild. Besonders ein grünes Konglomerat an Inseln sticht hervor – Hupisaaret, Oulus Oase mitten in der Stadt. Ein Naherholungsgebiet erster Güte für Oulus Einwohner.

Hupisaaret – eine Oase mitten in der Stadt

Das von plätschernden Bachläufen durchgezogene Gebiet wird von vielen kleinen Inseln gebildet, die in der Flussmündung des Oulujoki liegen. Verbunden werden die Inseln, die Platz für zahlreiche Parks und unberührte Wiesen bieten, durch weiße Holzbrücken. Hupisaaret ist sowohl für die Stadtbevölkerung als auch für Touristen ein Rückzugsgebiet, das Ruhe vor dem Trubel der Stadt bietet. Das ewige Plätschern der Wasserläufe und Fontänen ist die perfekte Hintergrundmusik.

Wasserspiele im Hupisaaret-Park. Foto: Visit Oulu

Die wunderbar in die Natur eingebettete Flussmündung des Oulujoki mit seinen Inseln ist ein historisch wertvolles Landschaftsgebiet mitten in der Stadt, dessen Geschichte bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht. Einst Hopfenanbaufläche und städtisches Naherholungszentrum mit Barockgarten, verwilderte das Gebiet nach den beiden Weltkriegen und bot der Tier- und vor allem der Fischwelt eine Heimat. In den 1950er Jahren wurden im Zuge städtebaulicher Maßnahmen Dämme und Brücken repariert, wodurch der Lebensraum der seltenen Meerforelle sowie des nordischen Laches stark beeinträchtigt wurde. Heute befindet sich neben verschiedenen Museen und einem architektonisch beeindruckenden Sommerpavillon auch ein eigens errichteter Fischpass im Inselgebiet in der Stromschnelle des Flusses.

Die Renaturierung von Hupisaaret

Hupisaaret ist zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert, aber vor allem der Spätherbst bietet ein erstaunliches Naturschauspiel: Die Laichzeit der Meerforelle. 2017 hat die Stadt Oulu die Wichtigkeit einer Renaturierung und Wiederansiedlung der Forelle erkannt. Daraus entstand gemeinsam mit dem regionalen Energieversorgungs- unternehmen Oulun Energia, dem Nordösterbottnischen Zentrum für Entwicklung, Transport und Umwelt sowie dem finnischen Institut für natürliche Ressourcen ein Arbeitskreis für die Wiederherstellung der Bachläufe. Sie haben es sich zum Ziel gesetzt die Meerforelle, eine der gefährdetsten Fischarten in Finnland, wieder anzusiedeln. Ihr Lebensraum beschränkt sich zwar größtenteils auf die Weiten des europäischen Nordmeers und der Ostsee, doch die Laichzeit und die ersten Lebenstage verbringen sie in fließenden Gewässern.

Die Wasserläufe des Oulujoki durchziehen das Hupisaaret-Gebiet. Foto: Anna Lanas-Wadessa

Die Wissenschaftlerin Pauliina Louhi hebt besonders die enge Zusammenarbeit aller am Projekt beteiligten Parteien hervor. Sand und Sedimente wurden beseitigt, Laichkies wurde herangeschafft und kleine Dämme wurden gegraben, um die Fischwanderung zu ermöglichen. Eine besonders wichtige Aufgabe hatte der Energie-Konzern Oulun Energia inne: die Vergrößerung der Stromschnelle, um einen ganzjährigen Wasserfluss sicherzustellen. Zuvor wurden die Flussläufe im Winter trockengelegt.

Die Hupisaaret-Stadt-Forelle kehrt zurück

Im Oktober 2018 war es endlich so weit. Der Moment, auf den das Projektteam zwei Jahre hingearbeitet hatte, war gekommen: 26 erwachsene Bachforellen wurden angesiedelt. Schon nach kurzer Zeit, konnten erste Erfolge verzeichnet werden. Nicht nur die Bachforelle fand Gefallen an ihrem neuen Laichplatz – wie erhofft, fand auch die gefährdete Meerforelle zusammen mit Lachsen, Äschen und Barschen den Weg in das renaturierte Gebiet.

Ein Pärchen der Hupisaaret-Stadt-Forellen. Foto: Natural Resources Institute Finland

Durch diesen Erfolg angespornt, siedelte das Team jeden Herbst 20-30 weitere Bachforellen an. Im Frühling 2021 sollte es dann endlich so weit sein: Hupisaarets erste Meerforelle verlies ihren Heimathafen. Pauliina Louhi schätzt ihre Rückkehr auf 2023. Ein magisches Jahr. Ein Jahr das den vollständigen Lebenszyklus der ersten wieder angesiedelten Meerforelle Hupisaarets beschreibt. Dieser Erfolg wurde auch von Oulus Schülerinnen und Schülern gefeiert. Ein eigens für das Forellen-Projekt komponierter Song zieht Parallelen zwischen dem Lebenszyklus der Forelle mit dem der jungen Stadtbewohner. Denn wir alle wachsen heran und verlassen irgendwann unser Heimatgewässer, um schwimmen zu lernen – im besten Falle kehren wir, ganz ähnlich wie die Forelle, immer wieder zurück.

Ein abwechslungsreiches Freizeitangebot für Oulus Bevölkerung

Die Renaturierung des Flussgebiets kostete die Stadt Oulu ungefähr 400.00 Euro. Geld, das sich in den Augen der Forschenden allerdings gelohnt hat. Denn das Projekt hat nicht nur auf die Naturlandschaft einen hervorragenden Einfluss, sondern auch auf das Wohlbefinden der Stadtbevölkerung.

Im Zuge des mehrjährigen Projektes wurde eine Umfrage unter den Bürgern von Oulu durchgeführt, die ein eindeutiges Bild zeichnet: Die Befragten schreiben dem Park nach der Renaturierung einen noch größeren Wert als Naherholungsgebiet für die gesamte Familie und sogar für Touristen zu. Zudem konnte festgestellt werden, dass der Erholungswert die Kosten bei Weitem übersteigt. Denn es ist allgemein bekannt, dass Zeit in der Natur sowohl das mentale als auch das physische und soziale Wohlbefinden verbessert.

Der Hupisaaret-Park ist ein beliebter Ausflugsort für die Einwohner Oulus. Foto: Visit Oulu

Hupisaaret ist durch das abwechslungsreiche Freizeitangebot mehr denn je ein beliebter Ausflugsort für die Einwohner der Stadt. Es kommen weitere Faktoren hinzu, die ausschlaggebend sind: ein ganzjährig geöffnetes Café, Hotels, Veranstaltungen im Sommerpavillon, ein Wissenschaftszentrum und Museen, die sich mit Oulus Geschichte beschäftigen. Mit der Renaturierung des Forellen-Gebietes und den Maßnahmen rund um das Projekt wurden in den letzten fünf Jahren weitere Anziehungspunkte für die Bevölkerung geschaffen. Auch hier trägt die Idee des Blue Wellbeing Früchte: Forellen-Führungen und Lernpfade locken viele Besucher in den Park und leisten kostenfreie Bildungsarbeit. Diese Kombination aus sozialer Interaktion, Lernmöglichkeit und Freizeitspaß macht den Park vor allem für Familien mit geringerem Einkommen attraktiv, was ganz im Sinne der finnischen Mentalität zu mehr Gleichberechtigung beiträgt.

Das Projekt ist ein wunderbares Beispiel für die effektive und nachhaltige Einbindung der Regionalnatur- und Kultur in das Stadtbild. Hupisaaret kommt bei der Bevölkerung hervorragend an und stellt einen starken Identifikationsfaktor für die Bürger Oulus dar. Was mit der Renaturierung des Gebietes und der Wiederansiedlung geschaffen wurde, ist einmalig in Finnland. Ein Stück Natur und ein Vorzeigeprojekt, das die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Oulus für alle zugänglich macht.

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Wissenschaftlerin Pauliina Louhi

„Die biologische Vielfalt des Süßwassers ist für das menschliche Wohlergehen von entscheidender Bedeutung, und wir haben das Recht und die Pflicht, uns um sie zu kümmern. Diese erstaunlichen blauen Lebensräume zu genießen und zu erforschen und unseren Freunden von ihrer Bedeutung zu erzählen, steht im Mittelpunkt dieser Aufgabe.“
~ Pauliina Louhi ~

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Entdecke spannende Videos zur Hupisaaret-Stadt-Forelle:

Die Geschichte der Hupisaaret-Stadt-Forelle
Die Rückkehr der Forelle
Der Hupisaaret-Stadt-Forellen-Song
Die Laichnacht der Forelle

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Erfahre mehr über Oulu und seine Sehenswürdigkeiten:

Visit Oulu Website

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One thought on “Finnlands Norden: Oulu – ein Königreich für die Hupisaaret-Forelle

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