Beispiel: Von Stockholm nach Turku mit der Viking Line
Hier schreibt einer unserer Macher, Matthias Aßmann, seine Gedanken zum Sommer in Skandinavien. Er erklärt uns die Faszination einer Überfahrt mit der Fähre. Der Urlaub fängt bei ihm nämlich auf dem Wasser an.
Wenn man gen Norden in den Urlaub aufbricht und dann wirklich clever entscheidet, das eigene Auto oder den Van zu nehmen, dann ist schwuppdiwupp auch ein Platz auf einer Fähre gebucht, mit Richtung zu einem der populären Ankunftshäfen in den Nordischen Ländern.
Die Überfahrt in ein anderes Land dauert an manchen Stellen nur eine knappe halbe Stunde; bei manchen Strecken verbringt man einen Tag oder Nacht oder beides auf dem Schiff.
4-5 mal im Jahr nehme ich die Fähre von Stockholm nach Turku oder Helsinki in Finnland. Die Schweden sind nicht sehr begeistert von dieser Art zu reisen. Die Überfahrt hat irgendwie kein gutes Image. Party, Tango, Familienbuffet, Truckertreff sind dann die üblichen Vorurteile.
Auf die richtige Einstellung und Vorbereitung kommt es an!
Im Sommer wähle ich die Tagestour. Von Stockholm gehen zwei Fähranbieter morgens zwischen 7:00 und 8:00 Uhr auf die Reise durch den Schärengarten nach Finnland. Am Abend, um ca. 19.00 Uhr kommt man dann in Turku an. Das ist meine Strecke. Während der anderen Jahreszeiten nehme ich die Nachtfahrt (ca. 19:00-7:00 Uhr), aber im Sommer ist die Tagesfahrt das Allerbeste was es gibt.
„Zwangbaumelnlassen“ der Seele
Das ist der Deal: Du startest inmitten einer der schönsten Städte Skandinaviens und schlängelst Dich mit dem Boot durch unzählige Inseln des sagenhaften Schärengartens zwischen Stockholm, Åland und Finnland. Du hast an den meisten Stellen an Bord schlechtes WLAN und mehrmals wechselnde Netzanbieter. Es gibt ausreichend Bars, Buffets, Restaurants, Dutyfree, Sauna und Baden, für den der das gerne mag. Es gibt auch Unterhaltung. Man muss eigentlich nichts machen. Ich nenne das „Zwangsbaumelnlassen der Seele“. Man kommt ausgeruht – oder müde vom Feiern- aber irgendwie glücklich an.
1 Vorbereitung auf die Fährfahrt
Das wird eine phantastische Überfahrt. Nimm Dir vor, Deine Reise so richtig zu genießen. Lass Dich richtig baumeln. Vielleicht startest Du ja nach dem Auffahren, Parken, Kabine finden mit einem Schläfchen? Oder Du schaust Dir vom Sonnendeck aus die Ausfahrt aus dem Hafen an. Eine Außenkabine ist für die Tagesfahrt natürlich toll. Ich packe meist meine Tasche für die Überfahrt vor. Nicht zu viel mitnehmen vom Auto in die Kabine. Das Autodeck wird während der Fahrt verschlossen. Also gilt es, den Inhalt ordentlich zu planen. Speisen, Wind-und-Wetter Jacke, Computer vielleicht, Buch, Papiere, Fotoausrüstung, andere Wertgegenstände?
Es gibt verschiedene Schiffsmodelle und ich muss mich jedes Mal aufs Neue wieder orientieren bei den Aufgängen, den Publikumsdecks und den Restaurants.
Mehr Zeit für’s Nixtun
2 Mitbringen aufs Schiff
Wer clever ist, kauft vorher beim Supermarkt noch Proviant und nimmt sich Essen und Trinken mit in seine gemütliche Kabine. Die ist bequem und man muss nach Öffnen des Duty Free Shops nicht Schlange stehen und zu viel für das Buffet bezahlen. Man hat mehr Zeit fürs Nixtun.
Nimm Dir ein Buch mit, was Du unbedingt einmal anfangen wolltest. Lade Dir vielleicht einen Podcast oder eine Songliste runter auf Dein Telefon oder den Computer.
3 Auf dem Sonnendeck
Ich suche mir meinen Platz nach wichtigen Kriterien aus: Wie lange fahren wir in dieser Richtung? Und: von woher kommt dann der Wind und die Sonne? Die geübten Reisenden haben sich schon einen Plastikstuhl an die kuscheligsten Plätze gezogen. Die Asiatischen Touristen kommen erst nach ausführlichem Einchecken und dem Erkunden der Ausgänge und der Aufgangstreppen nach oben. Im Windschatten hat man dann 15 Meter über der Wasseroberfläche einen perfekten Platz zum Schauen. Es gibt so viel zu entdecken auf den Inselchen. Pittoreske Holzhäuser und kleine Dorfansiedlungen sieht man im Vorbeifahren von der Höhe eines Kirchturms (oder noch höher) unter sich vorbeiziehen. Cool ist natürlich eine Kühltasche mit einem Kaltgetränk, einem Sandwich und das Buch auf dem Schoß. Das Handy ist aufgeladen und macht Fotos oder lässt Dich auf hohem Niveau Videochatten.
4 Shopping auf der Fähre
Hier wartet man ab, bis der erste Schwung der eifrigen Kunden abgeflaut ist und schlendert dann routiniert, langsam und zielstrebig durch die Supermarktgänge mit den aufgestapelten Sonderangeboten an Parfüm, Accessoires und Alkoholika. Echte Routiniers wissen ihre Weinsorte, den Likör und die Biersorte, die sie in Steigen von 24 Dosen auf maximal 4 Etagen auf kleinen kaufbaren Mini-Sackkarren in der Kabine zwischenlagern, bis zur Ankunft im Zielhafen. Einige Angebote sind tatsächlich unschlagbar. Es muss möglich sein mit allem Proviant mühelos wieder runter zum Autodeck zu gelangen.
5 Programm auf der Fähre
Irgendwann legt unser Schiff in Mariehamn/Åland an. Ein kleines Spektakel vom Sonnendeck aus. Anlegen, Ausladen, Auffahren der neuen Passagiere und so weiter. Hier herrscht ein bisschen Unruhe an Bord, aber das Unterhaltungsprogramm macht im Prinzip niemals Stop. Es lohnt sich wirklich ein Blick auf den Rahmenplan der Musik-, Tanz-, Magier-Veranstaltungen auf den verschiedenen Decks und Bühnen. Manchmal sind bekannte Skandinavische Musiker und Stars mit an Bord. Das vor allem dann in den Sommermonaten, wenn es genug Passagiere und Familien an Bord hat. Ich freue mich immer über Tango- oder Karaoke-Termine. Vor allem die Finnen kennen hier keine Scham und keine Grenzen. Meist höre ich einem einsamen Troubadour zu oder setz mich zu den Fußballfans an der großen TV-Wand. Alkoholexzesse oder ungemütliche Situationen hab ich in vielen Jahren kein einziges Mal erlebt.
Die Gäste an Bord kommen wirklich von überall her. Der Anteil der Finnen überwiegt den Schwedenanteil deutlich. Alle aus der Mannschaft sind immer sehr nett und hilfsbereit. Für eine kurze Zeit entsteht auf diesem Schiff ein Miniuniversum, ein respektvolles Miteinander und eine Art Zwangsgemeinschaft an verträumten Reisenden, die sich bei der Autoausfahrt aus dem Bug nochmals verschämt zuwinkt und dann glücklich aus dem Hafen in die Straßen von Turku sickert und ausgeruht zum Zielort rollt.
Ich freu mich sehr auf den 26. Juni; dann heißt es Leinen los – und ich stelle mich jetzt schon wieder drauf ein!